Von Stansstad nach Brig (Grimselpass)

Mittwoch, 23. August. Der Grimselpass war anstrengend. Bis zum Beginn des Aufstiegs in Innertkirchen lag noch der Brünigpass (1.008 Meter) und davor ein fieser steiler 20-Prozent-Berg, der viel Kraft gekostet hat. Da hüpfte mir eine Gemse von einer fünf Meter hohen Felswand auf den Weg und dann weiter in den Abgrund. Vielleicht stammen von den Gemsen die Haufen auf den Passstraßen. Pferde habe ich nämlich weit und breit nicht gesehen. Und dafür waren die braunen „Äpfel“ auch zu klein.

Irgendwie habe ich heute nur Rennradfahrer hinabsausen sehen. Viele grüßten und machten gute Laune. Mit mir ist niemand hinaufgeklettert. Ich hatte mich in Innertkirchen noch mit Wasser, Cola und einem isotonischen Getränk verproviantiert, insgesamt zweieinhalb Liter Flüssigkeit. Die war auch notwendig. Die ersten 900 Meter hatte ich mit der Hitze zu kämpfen. Aber nicht so extrem wie beim 20-Prozent-Berg, bei dem mir der Schweiß aus dem Gesicht auf die Fußspitzen lief. Weiter oben lief es besser – die kühlende Luft und einer meiner Zuckerriegel hatten es gebracht.

Am Grimselsee wird an einer neuen Staumauer gebaut. Oder es ist ein neues Projekt – so genau konnte man das nicht sehen. Auf der rechten Seite erstreckte sich das Massiv der Berner Alpen mit Bergen über 4.000 Metern Höhe. Bekannt ist der Große Aletschgletscher. Auf der Passhöhe war es windig. Für die Abfahrt ins Rhônetal nutzte ich meine Regenjacke als Windstopper.

Die Rhône ist hier oben ein wilder Gebirgsfluss, der bis Brig durch die Schmelzwasser aus den Berner Alpen schnell anschwillt. Im Tal war es zu vorgerückter Abendstunde noch sehr warm. Ab und zu fuhr ich durch kalte Luftmassen, die von der Rhône aufstiegen. Eine 50 Kilometer lange Abfahrt bis nach Brig – gigantisch.

In Brig folgte ich brav meinem Wahoo-Navi, das mich in ein Gewerbegebiet führte. Die Straßen wurden schmaler und dunkler. Hab ich mit der Route einen Fehler gemacht? Oder habe ich gar ein Fake-Hotel gebucht? Oder eine alte Mühle, in der nachts Säcke Knochen angeliefert werden?

Alles gut. Ich hatte das Hotel von der Rückseite aus angefahren. Von vorne sieht gleich alles freundlicher aus.

Morgen soll es am Nachmittag Gewitter geben. Ich bin nicht sicher, ob ich mich auf den Simplonpass einlassen soll.

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Von Behla an den Vierwaldstättersee

Dienstag, 22. August. Ich habe meine Schweizer Franken zu Hause liegen lassen. Von den Open-Access-Tagen in Bern im vergangenen Jahr waren noch Scheine übrig. Aber die werden auch nicht schlecht.

Wo beginnt eigentlich der Südschwarzwald und wo hört die Schwäbische Alb auf? Donaueschingen gehört schon zum Schwarzwald. Die Übergänge sind fließend. Bei Waldshut-Tiengen überquerte ich den Rhein nach Bad Zurzach. In der Mittagshitze musste ich mich den Berg bis zur Passhöhe hochkurbeln, schätzungsweise aber nur 150 Höhenmeter. Aus dem Schwarzwald heraus konnte ich am Vormittag ganz ordentlich hinuntersausen. Bis zum Vierwaldstättersee gab es nur einen Berg vor dem Rhein und den dahinter bei Bad Zurzach, sonst war das Gelände einfach zu fahren, bei der Hitze in der feuchten Luft aber trotzdem mühsam. Am Nachmittag war an den Tankstellen Anzeigen mit bis zu 37 Grad Celsius zu sehen.

Ich hatte wegen der Hitze keinen Hunger und machte deshalb erst nach 70 Kilometern in Lupfig bei Brugg Mittagspause. Ich aß Weintrauben und eine Banane mit etwas Brot. – Zu wenig. Ich kam nicht so richtig in die Gänge, die Beine machten zu. – Ich quälte mir deshalb einen ekligen süßen Riegel eines amerikanischen Konzerns in den Magen-Darm-Trakt. Danach wurde es besser.

Die Landstraße nach Luzern war viel befahren. Es gab immer wieder Radwege, mal rechts, mal links des Weges. Hinter dem Baldeggersee in Hochdorf machte ich einen Fehler. Vor mir radelte eine Frau und hielt an einem Zebrastreifen, als zeitgleich ein Auto in die Mündung zur Hauptstraße einbog. Jetzt war genug Platz, um über den Streifen zu fahren. Die Frau blieb aber stehen. Da ich damit gerechnet hatte, dass es weitergeht, hingen meine Füße noch in der Klickpedale fest. Die Hitze hatte meine Reaktionsfähigkeit wohl auch etwas verlangsamt. Normalerweise wäre das eine Situation, um ein Fuß schon einmal auszuklinken. – Ich kippte nach links um. Es gibt schlimmeres. Dieses Jahr hatte ich erst einen Umfall, und zwar auf der ersten Etappe zur BiblioCon, als ich auf einem schmalen Radweg wenden wollte. Der Radius war zu eng. Mit den Gepacktaschen hinten verhält sich das Rad auch nochmal anders…

Auf dem Weg war sowohl im Südschwarzwald als auch in der Schweiz viel Gewerbe zu sehen, Industriegebiete, Fabriken, Handwerk, Lebensmittelverarbeitung (Schwarzwälder Schinken mit einem beeindruckend großen Edelstahlwerk). Schon gestern auf der Schwäbischen Alb gab es viele Maschinenbau-Unternehmen, Schreiner und auch IT-Firmen. In Aldingen gab es gar ein Gründerzentrum. Entsprechend viel Verkehr ist auf den Straßen unterwegs.

In Stansstad am Vierwaldstättersee bin ich im Hotel Rössli untergekommen, nur einen Steinwurf weit vom See entfernt. Die Küche empfahl die frischen Egli-Filets, die ich dann auch genommen habe. Egli ist der Schweizer Begriff für Flussbarsch. Der Barsch lebt offenbar auch im See.

Meine Hand schmerzt etwas vom Sturz, eine Prellung. Aus der Garage holte ich vorhin noch Ibuprofen aus meiner Satteltasche. Es war dunkel. Ich glaube, es schläft jemand in den Untiefen der Garage und schnarcht schon. Ich gehe zum Schnarchen wieder nach oben.

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