Tag 16: Leba-Rügenwalde (Darlowo)

Eine Radpanne hatte mich heute aufgehalten. Aber dazu später.

Im Handbuch für lange Fahrradtouren steht, dass man Regentage erst von ihrem Ende her beurteilen soll. So war ich denn auch ganz zuversichtlich, als ich am späten Vormittag in Leba aufbrach und ein leichter Regen einsetzte. Da dies bei der Wettervorhersage nicht vorkam, beschloss ich zügig weiterzufahren. Denn was es eigentlich nicht gibt, würde bald von selbst wieder verschwinden, so meine Theorie. Der leichte Nordost blies mich, im Hinterrad immer noch eine Speiche weniger, über die gut asphaltierten Straßen meinem Ziel Rügenwalde (Darlowo) entgegen. Außerdem war es nicht kalt und nach zwei Stunden bestätigte sich meine Annahme. Es hörte auf zu regnen und die Sonne zeigte sich immer öfter. Die Landschaft auf meinem Weg muss deutlich mehr Regen gesehen haben, denn auf den Straßen flossen Rinnsale und ich jonglierte um große Pfützen herum. Am Abend, in meiner Unterkunft, legte ich das Geld zum Trocknen aus, dass sich in meiner Lenkertasche ganz vorne im ersten Fach befunden hatte. Sonst war alles in bester Ordnung.

Auf halber Strecke hörte ich eine Sirene. Ich wähnte hinter mir einen Krankenwagen oder die Polente. Ich hielt an und schob mein Rad rechts ins Gras. Ein Militärkonvoi kam angerauscht, an der Spitze und am Ende jeweils mit einem Geländewagen, Blaulicht und Martinshorn. Dazwischen vier Transporter mit Panzern, ziemlich flache Dinger. Vielleicht heißen die auch anders, also nicht Panzer. Möglicherweise hat die Nato wieder ein Herbstmanöver, wer weiß. In einem Dorf vor Danzig wurde am Sonntag ein Flakgeschütz durch die Gegend gefahren.

In Zaleskie, einem Dorf 30 Kilometer vor meinem Ziel, rief mir plötzlich eine Frau vom linken Straßenrand zu. Ich stoppte, drehte um und sagte auf Englisch, dass ich des Polnischen nicht mächtig bin. Maschena, so hieß sie, machte mir klar, dass sie Hilfe bei einer Reifenpanne brauchte. Sie war mit ihrer Schwester Barbara unterwegs. Ihr Rad hatte sie schon aufgebockt. Aus dem Vorderreifen zog ich eine Reißzwecke. Ich holte mein Werkzeug aus den Tiefen meiner Radtasche. Maschena hatte auch alles mögliche dabei, vor allem aber einen neuen passenden Schlauch. Der war mit der üblichen Fummelei recht fix gewechselt. Doch das Ventil passte weder zu meiner Luftpumpe noch zu meiner CO2-Kartusche. Barbara sprach mit zwei älteren Frauen, die noch in einer Schule zu tun hatten, vor der sich die Szene abspielte. Die organisierten im Ort zwei passende Luftpumpen, die uns von einem Mädchen gereicht wurden. Unterdessen unterhielt ich mich etwas mit Maschena. Sie käme aus Breslau, ihre Schwester aus einem kleineren Ort, den ich noch nicht gehört hatte. Sie waren auf dem Weg nach Ustka (Stolpmünde), ein Ostseebad, nur ein paar Radminuten vom Ort des Geschehens entfernt.

Mit einer Tretpumpe blies ich das Vorderrad auf. Ich erklärte, dass ich noch ein Foto für mein Reisetagebuch brauche und überreichte Maschena die dazugehörige Internetadresse. Das Mädchen mit den Pumpen wurde wieder fortgeschickt. Wir verabschiedeten uns und ich erreichte, dank des Rückenwindes, Rügenwalde nach 109 Kilometern in einer unglaublich guten Zeit (Schnitt: 20,4). Da konnte ich mich noch in eine Telefonkonferenz einwählen.

Der Regentag ist dreifach zu loben: Wegen der nur kurzen Nassphase, wegen des famosen Rückenwindes und wegen der guten Tat.

Sonnenbrille – schützt auch vor Regen
Maschena (links), das Mädchen mit den Luftpumpen und Barbara – nach Reparatur alle in guter Stimmung.
Ich trage heute ausnahmsweise blau. In der Schule durften wir uns dann noch die Hände waschen.
Tor zum Marktplatz Rügenwalde (Darlowo). Dahinter befindet sich mein Quartier.

 

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