Von Degerloch nach Behla

Montag, 21. August. Heute ist Verspätung. Die Optikerin fräst ein neues Gewinde. Die Sonnenbrille sitzt wieder. Ist das Licht im Gepäck? Nochmal zurückfahren in die Wohnung. Die Radtaschen wieder auspacken. Das Licht ist in der Satteltasche. Mit dem Rad in die U-Bahn nach Degerloch. In der Mittagshitze auf dem Weg nach Süden. Die Sonne sticht. Kaum Schatten im Schönbuch.

Getränke kaufen in Tübingen. Die Sportuhr sagt: Geh es ruhiger an. Das Thermometer zeigt über 30 Grad im Schatten. Der Asphalt flimmert. In Hechingen ein Eis essen und Weizen trinken. Nochmal trinken in Balingen und Schömberg und auf dem Bihrenberg. Fünf Liter. Die Sonne geht unter. Die Donau liegt schwarz in der Dämmerung. Die Störche klappern. Die Hitze lässt nach. Der Schweiß kriecht klebrig über den Körper. Das Rad läuft über die Hügel. Die weiche Sommerluft kühlt. Das Wasser ist alle. Der Gasthof hat Weizen.

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Von Neureuth nach Köln

Freitag, 18. August. Die Dokumentation gestern Abend über die Ardennen-Offensive bei n-tv passte zum Abschluss unserer Radtour, um etwas mehr über die Geschichte zu verstehen. Allerdings war die Doku etwas oberflächlich. Am Morgen hing der Nebel in den Wäldern und waberte über die Wiesen. Frühstück gab es im Gasthof erst ab 8 Uhr. Die nahe Bundesstraße hatte uns nicht so tief schlafen lassen. Macht nichts. Heute stand nur eine leichtere Tour auf dem Programm.

Der Gasthof Hubertus in Neureuth scheint wohl ein Familienbetrieb zu sein. Die Köchin stellte sich gestern Abend persönlich vor, als wir bestellen wollten. Die Frontfrau am Tresen (Kellnerin trifft es nicht, eher Geschäftsführerin, die auch die Vermietung organisiert) könnte ihre Schwester sein. Beide sprechen Holländisch, mit uns Deutsch, mit weiteren Gästen sonst auch Englisch. Zur Köchin fällt mir nur „Frau Antje“ aus Holland ein, nur älter und fülliger. Ihren Namen habe ich vergessen. – Die Speisekarte hat das typische Fernfahrer-Essen im Programm: Schnitzel in allen Variationen, Gulasch und verschiedene Rumpsteaks. Als vegetarische Ausweichvariante gibt es Bratkartoffeln mit zwei Spiegeleiern. Wir bestellen Gulasch mit Salzkartoffeln und Cordon bleu mit Bratkartoffeln. Das Essen ist sehr gut. „Alles selbst gemacht, nichts aus der Dose“, wie uns die Frontfrau versichert. 

Viertelzehn sitzen wir im Sattel. Die Luft ist feucht-warm. Es hat in der Nacht wohl wieder geregnet. Einige Kilometer vor Bad Münstereifel fahren wir auf die B 51. Mir war die Komoot-Route nicht ganz geheuer. An einem Waldweg machten wir kehrt. Ich hatte keine Lust auf eine neue Matschpartie. Gestern Abend hatte ich vergessen, die Route noch einmal durchzuchecken. Nach der Ardennenoffensive war ich platt und sank in mein Bett. – Einige Autofahrer hupten, als wenn ihnen die Straße gehörte. Ich zahle schließlich auch meine Steuern, dachte ich. Vielleicht sollte ich mir auch eine Hupe für’s Rad besorgen. Die Bundesstraße war ja auch nur eine schnelle Alternative für ein paar Kilometer. 

Hinter Bad Münstereifel ging es nochmal in einen Anstieg, dann flachte das Gelände Richtung Köln immer mehr ab. Die erste Pause legten wir nach 73 Kilometern in Brühl ein. Was ein gutes Frühstück doch vermag. Es war kurz vor zwei. Ich regte an, die Tour am Kölner Hauptbahnhof zu beenden statt noch in der Jugendherberge zu übernachten. Mein Plan: Zwei Pausentage in Stuttgart, Materialpflege, zum Friseur, mein Auto aus der Werkstatt abholen, den Briefkasten leeren, die Yucca-Palme gießen und vor allem die nächste Tour planen. Die Großwetterlage ist wohl so, dass es im Nordwesten weiter feucht bleibt, Gewitter, Wind, transatlantische Tiefausläufer. Deshalb orientiere ich mich nach Süden Richtung Alpen. 

Burkhard machte noch schnell eine Abrechung für unsere Reisekasse. Scheine wechselten den Besitzer. Wir verabschiedeten uns. – Nächstes Jahr vielleicht Slowenien? Wir werden sehen. Noch hat das Land nach der Flutkatastrophe mit dem Wiederaufbau zu kämpfen. Aber vielleicht helfen ja auch Tourismuseinnahmen. 

Da kurzfristig im Fernverkehr kein Fahrradstellplatz nach Stuttgart mehr frei war, nahm ich den Nahverkehr über Koblenz, Kaiserslautern, Mannheim und Karlsruhe. Nach Koblenz war der Zug relativ leer. Ab Koblenz machte mir ein Zugbegleiter nicht so viel Hoffnung, dass ich mit dem Rad noch mitkomme, winkte mich dann aber doch in den Wagen hinein. Jetzt konnte man beobachten, wie Gruppen handeln. Wir standen zu zweit in der Mitte eines Fahrradabteils. Die Leute saßen alle auf den Klappsitzen, der Ort, der für die Räder vorgesehen ist. Am anderen Ende des Abteils kamen drei Räder hinein. Niemand machte Anstalten, eine Lösung für die Räder zu finden. Wenn einer einen Platz freigäbe, würde das ja auch nicht helfen. Man müsste sich absprechen. Doch wer ergreift die Initiative? – Wir Radler wollen ja niemanden vertreiben. Außerdem sind wir froh, dass wir überhaupt noch mitgenommen wurden. Plötzlich kam eine Zugbegleitern und ordnete in einem breiten Pfälzisch die Räumung der Sitze für die Räder an: „Machense mol Platzz für de Rädder, das geht so nicht.“ Sie gab die 1. Klasse frei für zusätzliche Sitzplätze als Entschädigung. Sehr gute Lösung, so war allen gedient. Aus dem Platz-Dilemma kamen wir nur durch die Frau mit dem Überblick und der Entscheidungsbefugnis heraus. 

Später, Richtung Kaiserslautern, kam die resolute Pfälzer Zugbegleiterin zum Kontrollieren der Tickets. In den Verkehrsverbünden, in denen ich unterwegs bin, ist die Fahrradmitnahme ab 9 Uhr kostenlos möglich. Aber mein abfotografierter QR-Code vom Deutschland-Ticket ist nicht mehr gültig. „Wird aber immer abgebucht“, sage ich zur Entschuldigung. Die Pfälzerin winkt ab. „Das nächste Mol das aktuelle Ticket mitnehmen“, gab sie mir auf. Da muss ich wohl zu Hause nochmal nachlesen, wo ich einen neuen QR-Code herbekomme. Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. 

Im Zug war mir aufgefallen, dass das vermeintliche vergilbte Birkenblatt am Vorderreifen kein Birkenblatt ist, sondern Auflösungserscheinungen. Nach viereinhalb Jahren macht der Mantel schlapp. 

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