SR21-10 Rigutino-Orvieto

Heute musste ich das erste Mal das Rad schieben. In Montepulciano verließen mich bei 39 Grad die Kräfte. Und ganz am Ende des Tages, zur Felsenstadt Orvieto hoch, war es einfach zu steil.

Montepulciano hätte vielleicht nicht sein müssen. Aber wenn man schon einmal in der Toscana ist und der Umweg sich in Grenzen hält: Ich dachte, kann man ja mal mitnehmen, wenn die geplante Tagesroute nur 95 Kilometer beträgt. Ich hatte unterwegs zwar Trinkpausen gemacht. Aber die Bergarbeit und die Hitze forderten ihren Tribut. 500 Meter vor Montepulciano musste ich schieben. Es geht zwar bergauf, aber nicht so steil, dass ich unter anderen Umständen nicht hätte fahren können. Aber ich war dehydriert und kraftlos. Ich musste an einer Pizzeria rasten und trinken. Dann schaute ich mir das historische Zentrum an. Einige Leute schleppten Wein in ihre Autos. In einem Park aß ich einen Croissant und mein restliches Brot, trank Wasser und Apfelsinenbrause und legte mich auf eine Bank. Ich hörte mich manchmal schnarchen. Zwei ältere Männer kamen und bauten vor mir einen Tisch mit vier Stühlen auf und fingen an Backgammon oder so etwas in der Richtung zu spielen.

Am Ortseingang von Montepulciano wird gleich klar, worum es geht: Die schönen Flaschen sind aber leider alle schon leergesoffen.
Rechts am Tor steht in Montepulciano eine Weinhändlerin und lädt zur Probe ein: Passt gerade nicht.
Montepulciano: Steine mit Bedeutung
Montepulciano: Hier kehre ich mal ein, wenn ich nicht mit dem Rad da bin.

Die halbstündige Pause hatte mich erfrischt. Ich fuhr weiter durch einen Kurort auf meine ursprüngliche Route. Diese führte mich bald auf einen staubigen Kiesweg, den ich bei der nächsten Gelegenheit wieder verließ. Plötzlich fing meine Scheibenbremse vorne an laut zu singen. Ein heller, kreischender Ton. – Sie wird sich schon wieder beruhigen, dachte ich. Ich war durch den Umweg über Montepulciano zeitlich etwas in Verzug geraten und wollte schnelle Straßen fahren. Eine Bergetappe stand mir noch bevor, das hatte ich im Höhenprofil bei der Planung noch vor Augen. Mit weiterer Apfelsinenbrause kam ich gut voran, doch die Abfahrt war ein Graus. Ein übler Schotterweg führte mich halsbrecherisch steil wieder ins Tal, an wenigen Gehöften vorbei. Auf einer geraden Passage sah ich plötzlich eine Frau mit einem halben Dutzend Hunde und ebenso vielen Katzen beim Abendspaziergang. Sie schaute mich an, rief „Oh Mio!“, legte ihre Hände auf die Wangen und versuchte die Hunde zu beruhigen. In dieser Gegend kommt wahrscheinlich sonst nach Sonnenuntergang niemand vorbei. Die Hunde waren friedlich, die Katzen wunderten sich.

Wasserstelle an einem Schwimmbad – leider extrem selten
Die Landschaft um Montepulciano

Der Schotterweg war teilweise so steil, dass ich beim Bremsen etwas ins Rutschen kam. Beim Rütteln und Schütteln durch die Schlaglöcher und das Gestein war es ziemlich anstrengend, dabei voll in die Bremsen zu gehen. Der Lenker vibrierte und ich hoffte, das das Material sonst keinen Schaden nimmt. Schließlich kam ich wieder auf eine asphaltierte Straße, wo mich die Finanzpolizei überholte. Ich hatte heute nur Carabinieri gesehen, die Geschwindigkeitskontrollen machten.

Ich war versucht, die Brücke trotzdem zu fahren, hab dann aber doch die Umleitung genommen. Es gab im Zaun ein Loch, aber nicht für Radfahrer geeignet.
Rast mit meinem ersten Eis in Italien
Der Weg mag nach Rom führen, ist aber nur für das Mountainbike geeignet.

Orvieto erreichte ich kurz nach neun. Meine Lichter am Rad waren ein paar Kilometer vorher ausgegangen. Oder sagen wir so: Wann sich das Rücklicht verabschiedet hat, weiß ich nicht. Das Licht vorne wirft immer auch genug für das Navi ab. Das führt mich aber auch durch dynamische Leuchtdioden, die zeigen, ob ich richtig bin und wo ich abbiegen muss. So kurz vor dem Ziel wollte ich die Powerbank nicht extra herausholen. Ich schob das Rad in die Felsenstadt hoch und suchte das Hotel. Gruppen von Leuten waren unterwegs, Restaurants hatten geöffnet. Dann merkte ich, dass mich das Navi zwar in das Centro Storico geführt hatte, aber nicht zum Hotel, das unten im Tal lag. Ich hatte in Rigutino etwas Probleme mit dem Internet. Wahrscheinlich ist das Update mit der Hoteladresse verloren gegangen. Ich rief im Hotel an und sagte Bescheid, das ich noch komme und wollte sichergehen, das es in der angegebenen Straße liegt. Ich schaute mir den Weg auf dem iPad an und war in wenigen Minuten da. Es ging ja steil bergab.

Abendliches Treiben in der Altstadt von Orvieto

Alles in allem war das heute ein ungeplant wilder Tag. Ich hätte mich bescheiden sollen.

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